Seit meinem letzten Eintrag ist einiges passiert.
Als Julia und ich Ende Januar, wie jeden anderen Samstag auch, nach Masasi kamen um einzukaufen, merkten wir, irgendetwas stimmt nicht, es liegt was in der Luft, es ist anders als sonst in Masasi. Alle Pikipikis (Motorräder) und Bajajs sind die Straße auf und ab gefahren und die Leute standen in Grüppchen zusammen und haben auf die Straße geschaut. Ansonsten war aber nichts zu sehen, und so setzten wir unseren Einkauf fort und erledigten so ziemlich alles.
Als wir beim Schneider fertig waren, sehen wir auf einmal einige Menschen die Gassen entlang rennen und die Verkäufer haben eilig ihre Sachen zusammen gepackt, die Shops wurden geschlossen.
Da niemand da war, den wir hätten fragen oder der uns irgendwas auf Englisch hätte erklären können, schien uns die einzig plausible Erklärung dafür, dass es vielleicht gleich zu regnen anfängt, deshalb haben wir uns beeilt noch Obst einzukaufen.
Bis wir dann schließlich Mangos kauften und der junge Mann am Obststand etwas von „civil war” erzählte. Wir haben erst nicht so verstanden worauf er hinaus will und es hat eine Weile gedauert, bis ich den Bezug zum aktuellen Geschehen direkt vor Ort verstanden habe. Als wir dann noch ein paar Sätze mehr Erklärung bekamen (sehr viel mehr Englisch konnte er leider nicht, und unserem Alltagskiswahili mangelt es auch noch an politischem Vokabular) wurde uns schließlich bewusst, dass es genau an diesem Tag, mitten in Masasi politische Unruhen gibt und die Opposition auf die CCM (amtierende Partei) losgeht.
So genau haben wir es nicht verstanden, aber dass wir grade nicht wirklich sicher sind und die Lage nicht so wirklich einschätzen können, wurde uns schlagartig bewusst. Ein wenig verunsichert, haben wir dann das nächste Daladala aufgesucht um nach Hause zu kommen, das zum Glück auch gleich losgefahren ist. Die Spannung war überall zu spüren.
Als wir so im Gang des Kleinbusses standen, der nach einem kurzen Stück nicht mehr weiterfuhr, sahen wir draußen eine riesige Menschenmenge an uns vorbei rennen. Alle Männer schrien, aber eher ausgelassen und lustig, als bedrohlich - sonst hätte ich wohl mehr Angst gehabt, sie hatten Zweige in der Hand und hämmerten auf den Bus ein. Der Mann vor mir, duckte sich nach unten, jemand sagte zu der Mama, die am Fenster saß, sie solle doch die Kinder da weg tun und gut auf sie aufpassen. Der Mann neben mir meinte nur zu mir „Don’t panic!” da wurde mir schon etwas mulmig. Die Straße war mit Ästen versperrt, die sicherlich später noch angezündet wurden. Aber mehr war auch nicht los. Nach ein paar Minuten konnte die Fahrt weitergehen. In Chikukwe haben wir keine Auswirkungen erlebt.
Innerhalb der nächsten Tage habe ich dann von den Schwestern noch mehr Infos bekommen:
Am Nachmittag wurden die Unruhen deutlich heftiger und insgesamt sind an diesem Tag 3 Leute gestorben, einer davon war Polizist.
Gründe für die Unzufriedenheit der Menschen gibt es viele. Sie sind sauer, weil die Infrastruktur (Straßen und Schulbildung) hier im Süden schlecht ist, und das ganze Geld nach Dar es Salaam und in den Norden fließt.
Vorallem stört sie, dass das Erdgas das aus Mtwara kommt nach Dar geleitet wird, um es dort zu nutzen. Und hier im Süden herrscht drastische Armut.
Zudem sind sie ja auch nicht blind, und bemerken sehr wohl, dass der Präsident immer reicher wird, und es den Leuten aber immer schlechter geht und er nichts unternimmt.
Es gab noch etliche weitere Gründe, aber was der genaue Auslöser dafür war, warum die Situation an diesem Tag eskaliert ist, weiß ich nicht.
Ich würde den Menschen hier wirklich wünschen dass sich ihre Lage verbessert. Aber die Unruhen haben nur einen Tag angedauert und ich glaube auch nicht, dass sich so schnell etwas an der Situation des tansanischen Südens ändert.
Das Auswärtige Amt, das sonst regelmäßig irgendwelche Warnungen über Dar es Salaam oder Sansibar per Mail schickt hat sich aber bis heute nicht gemeldet. Was hier im Busch passiert bekommt einfach niemand mit.
So und noch was ganz anderes:
Im Gegensatz zu den US-Wahlen, die absolut an uns vorbei gegangen sind und sich hier niemand über Obamas Wiederwahl informiert hat, war der Rücktritt des Papstes das Gesprächsthema Nummer 1. Noch am gleichen Tag wurde von den Schwestern seine Stellungnahme vorgelesen, sowohl auf Englisch als auch auf Kiswahili. Da reichte der Informationsfluss sogar bis in den Busch.
Um die zweite Hälfte unseres Auslandsjahres einzuläuten haben Julia und ich gestern Abend Nudeln gekocht und einen großen Topf Schokopudding. Das haben wir dann abends in wundervoller Atmosphäre, auf unserer Terrasse genossen.
Und hier noch ein paar Fotos vom kleinen Martini, der mittlerweile gar nicht mehr so klein, sondern ein richtiges Speckbaby geworden ist. Außerdem hat er ordentlich Kraft, kann seinen Kopf schon halten und zieht sich hoch, wenn er meine Hand festhält.
Martinis Familie: Bruder Jose (kam grade in den KiGa), Schwester Faiza (das Kleid war ein Geschenk von uns) und Mama Jenny |
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